Nachdem Kletterberichte im Forum mittlerweile kaum noch vertreten sind, werde ich das mit einem kurzen Bericht über eine schöne, alpine Unternehmung ändern.
Sonntag, 22.5.2022, beste Wetterprognosen für einen längeren Felsspaziergang. Die Wahl fällt auf den „Brunnerweg“ in der Stadelwand, der in den Beschreibungen zwar als „etwas alpin und inhomogen“ beschrieben wird, dafür aber noch mit rauem Fels und mit 12 Seillängen (die noch mit zwingenden 6 weiteren Seillängen am Stadelwandgrat verlängert werden müssen) ziemlich lang. Im Reidinger-Führer geht der Brunnerweg noch bis zum Gipfel der Stadelwand als eigenständige Linie, der obere Teil klingt aber nicht sehr verlockend (nur mehr erdige und grasige Rinnen). Nachdem in beiden vorliegenden Topos auf den Stadelwandgrat ausgequert wird (und bis dorthin die Tour auch sanft saniert ist), haben wir den wunderschönen Grat gegen die erdigen Rinnen getauscht...
Daniel und ich brechen daher etwas früher als zu unseren üblichen Hohe-Wand-Touren in Wien auf, der Stadelwandparkplatz ist dennoch schon gerammelt voll. Also Start vom Weichtalhaus mit kurzer Straßeneinlage.
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Stadelwand vom Zustiegsweg
Der Zustieg zur Wand ist bald erledigt, nach einer leichten Kletterpassage über den Vorbau stehen wir am Einstieg. Trotz des schönen Wetters ist wenig los hier, am benachbarten Richterweg klettert gerade eine Seilschaft und zwei weitere in den schweren Plattenrouten rechts vom Brunnerweg.
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Do auffi!
Die erste Seillänge vermittelt gleich einen guten Eindruck über diese Tour: Der Fels ist tatsächlich noch extrem rauh, nicht jeder Stein ist fest und die Bewertungen etwas streng geraten. Da kann man auch in einer abdrängenden 4+ Passage ganz schön ins Schwitzen kommen, zumal die Absicherung auch nicht so eng ist, wie von den modernen Touren gewohnt. Aber deshalb baumelt auch die komplette Klemmkeil-Kollektion am Gurt, ergänzt um ein paar kleinere Cams. Ganz ehrlich – so wirklich brauchbar waren die Klemmgeräte aber nicht. An den schwierigeren Kletterstellen stecken ausreichend Haken (BH und NH) und im heiklen Gelände dazwischen (wo die eine oder andere Zwischensicherung nicht schlecht wäre) sind die Einsatzmöglichkeiten sehr begrenzt. Ich glaube, ich habe in den ganzen 12 Seillängen 3x einen Keil und 1x einen Friend gelegt.
Die ersten zwei Seillängen haben wir wegen der Seilreibung auf drei aufgeteilt, die für uns dritte Seillänge war für mich die schwierigste: Die brüchige 6er Verschneidung gerade rauf haben wir eh nicht in Betracht gezogen, aber auch die lange, kaum abgesicherte Querung mit 4+ reichte schon für etwas Knieflattern.
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In der ersten Seillänge des Brunnerwegs
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In der zweiten Seillänge des Brunnerwegs (gerade hinauf wäre es 6-, um die Ecke 4+)
Sehr bald dann die „berühmte“ Brunnerplatte, perfekter Fels und sehr eng gesichert – nur der Ausstieg ist ein wenig unübersichtlich (einfach nach links queren, rechts bzw. gerade hinauf ist falsch). Alleine wegen dieser Klettermeter lohnt sich Tour und wer sich in der benachbarten Richterplatte schon einmal über den abgeschmierten Fels geärgert hatte, wird den Brunnerweg als nette Alternative in Betracht ziehen.
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Brunnerplatte
Danach eine sehr kurze Seillänge mit der Schlüsselstelle (steile, im linken Bereich brüchige Kante). Wenn man gleich an die Kante quert und den Bruch am besten nicht einmal angreift, mag es zwar ein bisschen schwerer als 5- sein, dafür halten die Griffe.
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Weiter geht's...
Dann folgen vier Seillängen großteils im 2. Grad (mit ein paar 3er Stellen), wenn das Gelände ein bisschen geputzt bzw. ein bisschen mehr abgeklettert wäre, dann könnte man auch hier genussvollere Klettermeter finden. So ist es halt recht botanisch mit dem einen oder anderen Wackelkandidaten, aber sicher kein alpines Drama.
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Selfie beim Wandbuch
Laut Wandbuch sind wir die dritte Seilschaft dieses Jahr, also eine wahrlich exklusive Unternehmung...
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ein bisschen Zwischengelände
In der 10. Seillänge gibt es nochmal wirklich schöne Gratkletterei (viele NH und eine Drahtschlinge) im oberen dritten Grad und dann noch zwei Querungslängen bis zum Stadelwandgrat. Diese beiden Schlusslängen sind nicht schwer, aber auch nicht abgesichert – also genau schauen, wo man hinsteigt und wo man sich festhält.
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Ausstieg vom schönen Grat in der 10. Seillänge
Den Stadelwandgrat erreicht man beim Wandbuch desselben unterhalb des „Hackerturms“, der Weiterweg ist nicht zu verfehlen – nochmals sechs Seillängen Genusskletterei mit sehr luftigen Ausblicken (auch wenn für mich der Genuss schon recht eingeschränkt ist, ich bekomme etwas lästige Schwindelgefühle nicht in den Griff).
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Weiter am Stadelwandgrat
Als wir oben ankommen, spüren wir die 18 Seillängen doch schon recht heftig, v.a. für mich wird der lange Abstieg zur ziemlichen Tortur. Oben geht’s noch recht flott dahin, im Stadelwandgraben hemmt dann sehr tiefes Buchenlaub auf rutschigen Steinen und Wurzeln das sichere und rasche Voranschreiten – ohne meine Stöcke hätte ich öfter mal ungewollt einen Salto geschlagen. Den schlage ich dann aber doch noch, schon fast in Sichtweite zum Parkplatz, eine kurze Unachtsamkeit, ein formvollendetes Ausrutschen inkl. Überkreuzen der Beine und schon prackt es mich über ein paar Felstrümmer hinunter. Unterwegs knalle ich auch noch mit dem Kopf gegen einen Baumstumpf (zum Glück kein Stein). Naja, meine Reaktionszeiten waren auch schon mal kürzer...
Wir erreichen den Parkplatz aber noch bei Tageslicht und können auf ein schönes, alpin angehauchtes Erlebnis „Brunnerweg“ zurückblicken.
Danke Daniel für eine wirklich schöne Tour.
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