"Seit Mittag schon wartete ich auf Innthaler, ihn über Dringendes zu befragen. Er sei, so erzählte die Binderwirthin bei meiner Ankunft, kaum eine Stunde zuvor mit einer Gesellschaft junger Leute aufgebrochen, um sie über den >>Wilden Zerbenriegel<< zu führen, und könne vor Einbruch der Nacht kaum wieder hier sein. Was blieb mir da übrig, als geduldig zu warten, sollte ich den weiten Weg nicht umsonst gemacht haben. Eine Zeit lang hatte ich Zerstreuung genug. Auf der Bank vor dem Hause sitzend, verfolgte ich mit dem Fernglas in der Hand Innthaler's Partie, wie sie sich - eine Reihe schwarzer Pünktchen - behutsam durch die tief verschneite Wand aufwärts bewegte. Lange hielt ich es so nicht aus; der scharfe Frost hatte mich bald wieder in die warme Stube zurückgetrieben". (aus: Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins. Jahrgang 1898. Band XXIX. Red. v. Heinrich Hess. Verlag des D. u. OeAV:München. 1898. S.197.)
Als ich diese Zeilen vor zwei Jahren das erste Mal las, gingen sie mir nicht mehr aus dem Kopf. Jojojo machte mich als erstes auf diesen Artikel von Benesch "Die Raxalpe und der Wiener Schneeberg" aufmerksam, und so wagte ich mich erst diesen Winter an das Ganze heran. Diese wunderschöne Winterstimmung, die Benesch zu Beginn des Artikels beschreibt mit den dick verschneiten Kahlmäuern und dem unglaublich schönen Talschluss mit seinem hervorragend gelegenen Binderwirtshaus, ließ in mir die Idee reifen diesen alten Winteranstieg von Daniel Inthaler zu probieren und wenn möglich erfolgreich zu durchsteigen.
Benesch schreibt folgendes über dieses Idyll:
"Ein schöner Wintertag geht zu Ende. Nun dämmert's in der Stube und der letzte Glanz des scheidenden Lichtes spiegelt sich in den Eisblumen am Fenster, blau wie der wolkenlose Himmel über der Rax, gelb wie die Abendsonne, das die schneeige Bergwand widerstrahlt. Sinnend blicke ich durch die Scheiben auf den prächtigen Thalschluss und träume von vergangenen Zeiten, die mir das herrliche Bild in der Erinnerung weckt." (aus: Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins. Jahrgang 1898. Band XXIX. Red. v. Heinrich Hess. Verlag des D. u. OeAV:München. 1898. S.197.)
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Nunja, das Binderwirtshaus wurde um 1970/71 aus Wasserschutzgründen abgetragen. Heute befindet sich dort die Materialseilbahn des Habsburghauses. Auch einer der Gründe, warum es in dieser Gegend ruhiger geworden ist. Bevor ich allerdings diesen Plan einer Kahlmäuerbesteigung in die Tat umsetzte, sammelte ich dazu die spärlich vorhandenen Informationen.
Dazu in Beneschs Raxführer, in seinem Anhang zu den Wintertouren auf der Rax:
"Protestwand viel schlechter, hingegen der 'Zahme Zerbenriegel', solange das Krummholz nicht ganz eingeschneit ist, nicht so schlimm, und der 'Wilde', da der Kamin oft bis zur halben Höhe zugeweht ist, bedeutend leichter (wenn kein Reif an den Wänden ist)." (aus: Benesch, Fritz: Führer auf die Raxalpe. 7. Aufl. Artaria: Wien. S. 181.)
"Die Anstiege in den Kahlmäuern sind während des Winters sehr mühsam. Der lange Zustieg, die große Wandhöhe und die Tatsache, daß sich der Schnee auf dieser Seite der Rax kaum je festigt, müssen vor Inangriffnahme eines Kahlmäuersteigs ebenso bedacht werden, wie der Umsatnd, daß ein Abstieg meist erst nach einem mehr oder weniger langen Marsch über die Hochfläche angetreten werden kann." (aus: Schirmer, Gerhard: Schneeberg und Rax. ÖTK:Wien. 1994. S. 18.)
Blick vom ehem. Binderwirten zur hochwinterlichen Kahlmäuerwand:
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Beim Näherkommen, sticht vor allem ca. in Bildmitte die Schlucht des "Horrenden Risses" hervor, etwas mehr rechts davon steigt der Zerbenriegel in die Höhe:
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Die Verhältnisse waren diesmal perfekt: der Schnee von der vergangenen Nacht sehr hart und so konnten wir bis zum Einstieg die Schneeschuhe am Rucksack lassen. Hier beim Zustieg
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brachen wir zwar schon a bissl mehr ein , aber es ging dennoch ganz gut und bald war der Einstieg des Zerbenriegels (I-II) erreicht mit tollem Rückblick aufs Reißtal:
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Hier machten wir mal Pause, um die Steigeisen anzulegen und Pickel bzw. je ein Eisgerät hervorzukramen und dann gings los:
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Zunächst folgt eine lange Linksquerung (bei weichem Schnee gefährlich), bevor es über eine steile Rinne bergan geht, die man nach links über eine kaminartige Rinne verläßt:
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Man erreicht einen scharfen Rücken, wo der Alpenklubweg wegzweigt. Der Zerbenriegel wendet sich jedoch hinunter in diese steile Schlucht:
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Der kleeblattler fängt also mal an:
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Auf der anderen Seite gehts über eine etwas unangenehme kombinierte Stelle hinauf, bevor man links herum in einen schütteren Wald quert, wo auch der Proteststeig (II) heraufkommt. Den Wald gehts schräg linkshaltend über ein sehr steiles Schneefeld nach oben, hier ein Ausblick Richtung Gamseck:
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Danach erreicht man ein paar Lärchen, hinter denen sich die erste Schlüsselstelle befindet, nämlich der sehr steile "Zerbenhang":
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Hier gehts in kombinierter Kletterei, teils plattig, ca. 100m nach oben, und erst wenn man die Latschen erreicht, wirds etwas besser, allerdings hat man kaum guten Halt, um mal gut zu stehen. Daher gibts auch keine Fotos, erst weiter oben, unter der ausgedehnten Krummholzstufe (einem guten Rastplatz) begrüßte uns die Sonne in dieser NW-Wand :
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Fantastischer Rückblick ins Reißtal:
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Von rechts mündet hier der Alpenklubweg (I) ein, über uns gehts noch ein Stück hinauf zum "Zerbenband", der zweiten Schlüsselstelle:
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I glaub der braucht a Bier :
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Fortsetzung folgt (diesmal ausnahmsweise noch nicht posten, danke )
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