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unworte des alpinismus

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  • unworte des alpinismus

    wörter werden neu geschaffen. wörter werden ausgezeichnet. auch unwörter.

    jeder hat seine persönliche liste von unwörtern des alpinismus.

    hier ist gelegenheit, die unwörter zu benennen, zu charakterisieren und zu diskutieren. bessere benennungen werden akzeptiert. sogar hypothesen über die psychodynamischen gründe des sprachgebrauchs.

    ich fange mal mit zwei meiner favoriten an.

    gipfelsieg. ich weiss schon, warum man das sagt. es ist ein signal der leistungserbringung. die zwei vertikalen i mit dem punkt drauf haben durchaus angemessene qualitäten. eine art schriftgeometrie, könnte man in anlehnung an die lautmalerei (onomatopoesie) sagen.

    aber im ernst. nicht einmal militärisch ist ein gipfelsieg vorstellbar. gebirgskriege werden um die kontrolle der pässe, verkehrswege, bevölkerungen geführt, nicht um und schon garnicht auf dem meist nur ein paar quadratmeter grossen gipfel.

    wird der gipfel besiegt? das setzt voraus, dass der berg in spielerischer oder kriegerischer absicht am aufstiegsgeschehen teilnimmt. er müsste subjekt von widerstreitenden aktivitäten sein, jedenfalls solange, bis seine niederlage feststeht.

    siegt der berg, müsste man sagen, der grossglockner hat mir letzten sonntag eine gipfelniederlage beigebracht.

    philosophisch gesehen, unterläuft der berg jede gegnerschaft. bestiegen wird er gerade in seiner alterität - jenseits von objekt und subjekt.

    sieg kann sich also nur auf persönliche eigenschaften des aufsteigenden beziehen, sei es, dass er seinen inneren schweinehund besiegt hat oder dass ihm schritt- und greifkombinationen gelungen sind, die ihm vorher nicht zugänglich waren.

    wenn geröllheimer den glocknergipfel erreicht, hat er, möglicherweise, einen geröllheimersieg errungen (eigentlich auch nicht, es wurden lediglich möglichkeiten in wirklichkeiten umgesetzt) - jedoch keinen gipfelsieg.

    gipfelsturm, gipfelstürmer, gipfelstürmerin. ein sturm bezeichnet winde mit geschwindigkeiten von mindestens 20,8 m/s (74,9 km/h) oder 9 beaufort. solche wetterlagen kommen um gipfel herum häufig vor. zurecht spricht man dann von einem gipfelsturm.

    mit gipfelsturm, gipfelstürmer und gipfelstürmerin werden jedoch meist aktivitäten und aktivitätsausübende personen bezeichnet. nun zählen bergsteigen und klettern unter den menschlichen fortbewegungsarten zu den langsamsten. die höchsten gipfel werden kriechend erreicht.

    ja, es werden heroische leistungen am berg vollbracht. man darf auch in der sprache des pathos darüber sprechen. nur, die bilder müssen stimmen. mit sturm, stürmer und stürmerin wird eine alles hinweg fegende leichtigkeit der bewegung suggeriert, die den kern der leistung gerade verleugnet, anstatt sie auszusprechen.

    nicht einmal für die speeddisziplinen des bergsteigens und kletterns scheinen mit die begriffe zu passen.

    einzig die ausschüttung der endorphine am gipfel mag eine sturmvergleichbar höchstgeschwinde, alle beschwerden wegschwemmende gefühlsreaktion auszulösen.

    p.s. hier geht es nicht um sprachpolizei. niemand muss in sack und asche gehen, weil er diese begriffe verwendet. thema sind die sprachspiele des alpinismus und die lust am wort und am unwort.
    Zuletzt geändert von geröllheimer; 24.04.2007, 13:12.

  • #2
    AW: unworte des alpinismus

    Vielleicht solltest du nicht einfach Teilwörter kontextfremd herausgreifen und dass dann als Wortbedeutung nehmen. Ein Gipfelsieg ist kein "Sieg über den Gipfel", sondern das stinknormale Erreichen desselben. Ein Gipfelstürmer ist auch keiner der mit 20,8 m/s auf den Berg hochrennt, sondern einfach nur jemand, der eben auf einen Gipfel hochgeht.

    Genauso wirst du dich schwer tun, einen Zitronenfalter beim Zitronen falten zu beobachten. Ein Langläufer läuft auch nicht zwangsweise lange, ein Tagessieger besiegt auch nicht den Tag und auch der Ansturm auf die Billigangebote eines Supermarktes erfolgt - wie der Gipfelsturm - nicht zwangsweise mit 20,8 m/s.
    lg deconstruct

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    • #3
      AW: unworte des alpinismus

      schöner Beitrag......hast du nachgeschaut, ob es so ein Thema schon gibt

      mir fällt ein : Hüttenromantik

      das soll das hektische Verteilen der Lager und die Ausgabe des Essens, das Anstehen bei der Toilette oder den Waschräumen oder das Schnarchen im Schlafraum beschreiben
      nicht zuletzt den gemeinsamen Aufbruch, wenn 150 Leute zur gleichen Zeit frühstücken und dann im Gleichschritt aus der Hütte stürmen
      ( so bei vielen hochalpinen Stützpunkten zur Tourenzeit )

      oder das Belagern vieler niedrigerer Stützpunkte durch kegelclubähnliche Gesellschaften, die dann mit dem Wirt ihre persönliche Sperrstunde aushandeln, singen, trinken und an deren Einfühlungsvermögen man verzweifeln möchte ( es gab mal einen schönen Beitrag über die T.Körner Hütte ).

      Nicht, dass man nicht hin und wieder mit diesen Zuständen umgehen kann und sich auch vorab darauf einrichten kann, aber das Wort Hüttenromantik ist sicher wenig passend.

      wenn ich nachdenke, fallen mir bei rund 70 Übernachtungen vielleicht vier oder fünf Hütten ein, wo ich ansatzweise romantische Erinnerungen habe.....und nicht das, was ihr jetzt wieder denkt
      Zuletzt geändert von Marc74; 24.04.2007, 13:36.
      www.kfc-online.de

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      • #4
        AW: unworte des alpinismus

        Man fasse sich an die eigene Nase...
        Dieses militärische Vokabular von "Gipfelsieg, Gipfelsturm"u. ä. stammt aus einer Zeit, als das Militär die höchstangesehenste Institution in Europa war (s. Hauptmann von Köpenik),- weil in dieser Zeit die meisten Erstbesteigungen stattfanden- und wurde halt von späteren Generationen übernommen. Heute darüber zu diskutieren, ob das "Unwörter" sind, halte ich für unsinnig. Darüber sollte man mit Leuten reden, die längst tot sind.
        Alternativ könnte man sich ja eigene Wörter ausdenken, die das gleiche besagen...
        Zuletzt geändert von Andele; 24.04.2007, 13:48.
        Warum darf man nicht hin und wieder einfach mal was Unvernünftiges tun- solange man es vernünftig tut... ?

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        • #5
          AW: unworte des alpinismus

          wie wär´s mit dem unwort: versicherter klettersteig? "gesichert" wäre sicher korrekter, aber verwendet niemand...

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          • #6
            AW: unworte des alpinismus

            @deconstruct: welche teilwörter gewählt und zusammengesetzt werden, ist schon ein politikum. ich behaupte, dass sieg und sturm aktivitätsfremde beschreibungen sind und nur dem psychischen begehren des aktanten (seinem phantasma) entspringen. ein tagessieger hat tatsächlich an einem bestimmten tag einen wettkampf gewonnen, und beim ansturm auf ein supermarktangebot sind geschwindigkeit und ruppigkeit des zugriffs entscheidend.

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            • #7
              AW: unworte des alpinismus

              Zitat von baum
              wie wär´s mit dem unwort: versicherter klettersteig? "gesichert" wäre sicher korrekter, aber verwendet niemand...
              Eine genauere Definition von "Klettersteig" wäre auch angebracht. Die verkommen nämlich zunehmend zur "Drahtseilgesicherten Stahlleiter". Aber sogar das ist ungenau, weil natürlich nicht die Stahlleiter gesichert ist, sondern nur von einem Drahtseil begleitet wird, an dem sich der Steigende sichern soll.
              Warum darf man nicht hin und wieder einfach mal was Unvernünftiges tun- solange man es vernünftig tut... ?

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              • #8
                AW: unworte des alpinismus

                @andele: sprechen die alpinen klassiker tatsächlich von gipfelsieg? meine beobachtung ist, dass der begriff erst in den letzten jahren so richtig aufkam.

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                • #9
                  AW: unworte des alpinismus

                  Zitat von geröllheimer
                  @andele: sprechen die alpinen klassiker tatsächlich von gipfelsieg? meine beobachtung ist, dass der begriff erst in den letzten jahren so richtig aufkam.
                  Nein, in vielen Beschreibungen von Erstbesteigungen (oft von den Erstersteigern selbst) kannst Du so ein Vokabular lesen. Hab jetzt kein Beispiel zur Hand, kann aber gerne nachforschen.
                  Warum darf man nicht hin und wieder einfach mal was Unvernünftiges tun- solange man es vernünftig tut... ?

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                  • #10
                    AW: unworte des alpinismus

                    Zitat von geröllheimer
                    @deconstruct: welche teilwörter gewählt und zusammengesetzt werden, ist schon ein politikum. ich behaupte, dass sieg und sturm aktivitätsfremde beschreibungen sind und nur dem psychischen begehren des aktanten (seinem phantasma) entspringen. ein tagessieger hat tatsächlich an einem bestimmten tag einen wettkampf gewonnen, und beim ansturm auf ein supermarktangebot sind geschwindigkeit und ruppigkeit des zugriffs entscheidend.
                    Gut, so argumentiert kann ich dem ganzen schon besser zustimmen, zumindest was den Gipfelsieg angeht. Vielleicht wäre Gipfelerfolg besser?

                    Beim Gipfelsturm sehe ich das aber nac wie vor nicht so, es kommt halt nur darauf an, was man damit bezeichnet:
                    Wenn ich damit z.b. das Szenario meine, wo 100 Leute von der Hütte lospreschen und jeder der erste sein will, um z.B. möglichst wenig Steinschlag der anderen zu bekommen oder die ersten Zöpferl in den Schnee zu ziehen, da ist das Wort Gipfelsturm IMO durchaus zutreffend. Ellbogenmentalität und Ruppigkeit sind da auch an der Tagesordnung, wenns darum geht, z.B. andere zu überholen.
                    Eine gemütliche Wanderung auf einen Gipfel ohne Stress und Druck kann man natürlich nicht als Gipfelsturm bezeichnen.

                    Und zur Hüttenromantik:
                    Auch hier kommts darauf an, was man damit bezeichnet. Wenn man eine kleine, feine Hütte nimmt, wo es ganz gemütlich zu geht und keiner Stress macht, da finde ich, passt das Wort Hüttenromantik durchaus.
                    Bei großen Hütten, mit 100 Übernachtern und dem damit verbundenen Andrang bei Essen, Start, Waschräumen und dem damit verbunden Lärm im Lager ist der Begriff natürlich deplatziert.
                    lg deconstruct

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                    • #11
                      AW: unworte des alpinismus

                      Zitat von deconstruct

                      Beim Gipfelsturm sehe ich das aber nac wie vor nicht so, es kommt halt nur darauf an, was man damit bezeichnet:
                      Wenn ich damit z.b. das Szenario meine, wo 100 Leute von der Hütte lospreschen und jeder der erste sein will, um z.B. möglichst wenig Steinschlag der anderen zu bekommen oder die ersten Zöpferl in den Schnee zu ziehen, da ist das Wort Gipfelsturm IMO durchaus zutreffend. Ellbogenmentalität und Ruppigkeit sind da auch an der Tagesordnung, wenns darum geht, z.B. andere zu überholen.
                      Eine gemütliche Wanderung auf einen Gipfel ohne Stress und Druck kann man natürlich nicht als Gipfelsturm bezeichnen.
                      Kommt auch immer auf den Standpunkt an. Ich erinnere mich an einen Satz von meinem Vater: "Wollen wir heute mal den Gipfelsturm versuchen?" Wir waren völlig alleine und das Wetter ziemlich durchwachsen. Ich war ca. 11 Jahre alt (das Cowboy- und-Indianer-Alter) und hatte meinen ersten Klettersteig (Saß Songher) vor mir. Da war Papas Spruch genau der richtige Ansporn.

                      Aber ich kenne einige Worte aus der modernen Sprache, bei denen mir das Grausen kommt: Hüttensause , Berg-Event , Plaisier-Route ... und der Tirolerabend ist auch nicht mehr das, was er mal war.
                      Zuletzt geändert von Andele; 24.04.2007, 14:52.
                      Warum darf man nicht hin und wieder einfach mal was Unvernünftiges tun- solange man es vernünftig tut... ?

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                      • #12
                        AW: unworte des alpinismus

                        Zitat von deconstruct
                        ....Ellbogenmentalität und Ruppigkeit sind da auch an der Tagesordnung, wenns darum geht, z.B. andere zu überholen.
                        Mit einer gscheit'n Kondi gehts besser!

                        Gruß Ecki
                        take only pictures
                        leave only tracks

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                        • #13
                          AW: unworte des alpinismus

                          GipfelSAUSE - do geht ma scho as g´impfte auf

                          Absolutes "NoNo"

                          Beim Durchlesen des Geschriebenen hier zwang sich mir die Sinnhaftigkeit dieses Wortes auf:


                          Schneeblind

                          Ich muß gestehen das ich in meiner langen Touristenschikarriere noch nie einen Schnee traf, der mich mit Glupschaugen beäugte. Mag sein, dass es in höheren Lagen wo ich als Normalsterblicher niemals hinkomme schon Schnee mit Augen gibt - aber ansonsten denke ich nicht, dass Schnee blind sein kann

                          Natürlich kann man/hausfrau jedes zusammengesetzte Wort in irgendeiner Form zerlegen, zerdiskutieren, zer...wasweißichnochalles.

                          Weitere rhetorisch sezierbare Wörter werden mit Sicherheit noch folgen...
                          -_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-
                          Es gibt imma an, dem gehts oascha... (Helmi, Kabarett Simpl)

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                          • #14
                            AW: unworte des alpinismus

                            @marc74: im begriff hüttenromantik schwingt ein leicht selbstironischer unterton mit, der manches (in der sprache, nicht in der sache) erträglicher macht.

                            @deconstruct: friedensvorschlag angenommen. wenn gestürmt wird, sind sturmmetaphern angebracht. ich hatte den filmtitel gipfelsturm (über die erstbesteigung der zugspitze) und den buchtitel gipfelstürmerinnen (über den feministischen alpinismus in der schweiz) im sinn. wobei man es im letzten fall auch so sehen kann, dass der schwarm eines verbands eine vielheit von gipfeln in angriff nimmt: da kommt man dem sturmmotiv zumindest nahe.

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                            • #15
                              AW: unworte des alpinismus

                              Zitat von Schnapsflaschl

                              Schneeblind

                              Ich muß gestehen das ich in meiner langen Touristenschikarriere noch nie einen Schnee traf, der mich mit Glupschaugen beäugte. Mag sein, dass es in höheren Lagen wo ich als Normalsterblicher niemals hinkomme schon Schnee mit Augen gibt - aber ansonsten denke ich nicht, dass Schnee blind sein kann
                              Du verwechselts schneeblind mit Blindschnee. Ersteres habe ich schon sehr schmerzhaft am eigenen Auge erfahren , letzteren habe ich tatsächlich noch nie gesehen, ist vermutlich so eine Sagengestalt wie der Yeti.
                              Zuletzt geändert von Andele; 24.04.2007, 15:31.
                              Warum darf man nicht hin und wieder einfach mal was Unvernünftiges tun- solange man es vernünftig tut... ?

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